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Profil des Langzeitpflegesystems: Österreich

System Profile: Österreich

Autor:innen

Ulrike Famira-Mühlberger (WIFO, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung)

August Österle (WU, Wirtschaftsuniversität Wien)

Überblick

Im Gegensatz zum Gesundheitssystem, das durch die Sozialversicherung finanziert wird, wird die Langzeitpflege in Österreich durch allgemeine Steuern finanziert. Das Pflegesystem in Österreich ist durch eine starke Abhängigkeit von familiärer und anderer informeller Pflege gekennzeichnet. Pflegebedürftige Personen werden durch ein Pflegegeld und die Bereitstellung von Pflegeleistungen unterstützt. Während für Ersteres der Bund zuständig ist, sind für Letzteres die neun Bundesländer zuständig. Die meisten Dienstleistungen werden von gemeinnützigen Organisationen und öffentlichen Einrichtungen (z. B. Gemeinden) bereitgestellt. Die Länder sind gesetzlich zur Bereitstellung von Pflegeleistungen verpflichtet, können diese jedoch weitgehend frei gestalten, was zu einer großen Vielfalt an Leistungen und Konditionen in den Bundesländern führt. Zusätzliche Unterstützung durch das Land gibt es für die Beschäftigung von im Haushalt lebenden Pflegekräften (24-Stunden Betreuer:innen) und für informelle Pflegekräfte.

(An English version of this profile is available here)

Steuerung und Systemorganisation
In Österreich ist der Bund (Sozialministerium) für das Cash-for-Care-System zuständig (Pflegegeld, finanziellen Leistungen für informelle Pflegekräfte, finanzielle Unterstützung für die 24-Stunden-Betreuung) sowie für die Abdeckung der Sozialversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige (sofern anspruchsberechtigt) zuständig. Die neun Bundesländer sind für die Bereitstellung von Pflegedienstleistungen verantwortlich (d. h. mobile Pflege, Pflegeheime, Tagespflege, Hospiz- und Palliativpflege, tägliche Hilfe, Essen auf Rädern, vorübergehende Pflege, alternative Unterbringung sowie Fall- und Pflegemanagement). Die Bundesländer regeln die Bedingungen für die verschiedenen Pflegedienste und betreiben teilweise Pflegeheime. Einige Bundesländer delegieren Aufgaben an Sozialhilfeverbände oder Kommunen. Die meisten Pflegedienste werden von gemeinnützigen Organisationen und öffentlichen Anbietern bereitgestellt. Profitorientierte Anbieter spielen eine untergeordnete Rolle.

Darüber hinaus gibt es finanzielle Unterstützung für diejenigen, die 24-Stunden-Betreuer:innen beschäftigen. Das Sozialministerium regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für die 24-Stunden-Betreuung und stellt den Großteil der Finanzierung bereit. Darüber hinaus regelt der Bund die berufsrechtlichen Regelungen für qualifiziertes Pflegepersonal, während die Länder jene für Hilfskräfte (Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz, Haushaltshilfen etc.) regeln.

Der Bund und die neun Länder koordinieren das Pflegesystem in einem gemeinsamen Arbeitskreis Pflegevorsorge. Während die wichtigsten Geldleistungen (z. B. Pflegegeld, Leistungen für informelle Pflegekräfte, finanzielle Unterstützung für die 24-Stunden-Betreuung) in ganz Österreich auf die gleiche Weise organisiert und verfügbar sind, unterscheiden sich die Organisation, Gestaltung und Bedingungen der Pflegeleistungen in den einzelnen Bundesländern erheblich.

Finanzierung und Absicherung

In Österreich wird die Langzeitpflege durch das allgemeine Steueraufkommen finanziert, während die Gesundheitsversorgung durch Sozialversicherungsbeiträge finanziert wird. Ein Teil der Steuereinnahmen des Bundes wird an die Bundesländer abgeführt, damit diese ihre Aufgaben, einschließlich der Organisation von Pflegediensten, erfüllen können. Im Jahr 2022 gab der öffentliche Sektor 1,26 % des BIP für Pflegegeld- und Pflegedienstleistungen aus.Im Jahr 1993 führte Österreich ein einheitliches, bedarfsgerechtes, aber nicht bedürftigkeitsabhängiges Pflegegeld ein. Auf diesen Zuschuss besteht ein Rechtsanspruch – unabhängig von Einkommen und Vermögen sowie der Ursache der Pflegebedürftigkeit. Abhängig von der Intensität des Pflegebedarfs ist das Pflegegeld in sieben Stufen unterteilt, die von 192 € pro Monat auf Pflegegeldstufe 1 bis zu 2.062 € pro Monat auf Stufe 7 reichen (2024, jährlich inflationsbereinigt). Etwa 5,2 % der österreichischen Bevölkerung beziehen Pflegegeld. Die finanzielle Unterstützung für Pflegedienstleistungen ist meist bedarfs- und bedürftigkeitsabhängig, die Bedingungen variieren jedoch von Bundesland zu Bundesland. Über das regelmäßige Einkommen (idR die Pension) und den Pflegezuschuss hinausgehende Vermögenswerte werden bei einem Umzug in ein Pflegeheim nicht berücksichtigt – der verbleibende Restbetrag wird von der Sozialhilfe übernommen [1].

Das österreichische Pflegesystem zeichnet sich durch einen hohen Stellenwert der informellen Pflege aus [2]. Der Anteil der Pflegebetten in Pflegeheimen und Krankenhäusern pro 1.000 Einwohner ab 65 Jahren liegt leicht über dem OECD34-Durchschnitt, aber deutlich unter anderen westeuropäischen Ländern (z. B. Niederlande, Deutschland) [3]. Mehr als 40 % der Empfänger:innen von Pflegegeld werden ausschließlich von Angehörigen gepflegt [4]. Es gibt verschiedene Leistungen für informelle Pflegekräfte, darunter bezahlte Pflegekarenz und Sozialversicherungsschutz. Beziehen Empfänger:innen des Pflegegelds Pflegeleistungen (Sachleistungen), so dient das individuelle Pflegegeld zur Finanzierung dieser Leistungen bzw. der notwendigen Zuzahlungen. Die Konditionen und Zuzahlungen variieren von Bundesland zu Bundesland. Private Pflegeversicherungen spielen in Österreich eine untergeordnete Rolle.

Regulierung und Qualitätssicherung

Der Governance-Struktur des österreichischen Pflegesystems folgend (siehe oben) ist die Qualitätssicherung zwischen Bundes- und Landesbehörden aufgeteilt. Allerdings gibt es keine zentrale Stelle zur Qualitätssicherung und Akkreditierung von Leistungserbringern. Stattdessen werden Anbieter auf regionaler Ebene unter Vertrag genommen. Es gibt auch keine Qualitätsbewertung der Anbieter. Dennoch gibt es auf zentraler Ebene einige Regelungen und Initiativen zur Qualitätssicherung. Das Wichtigste davon ist die Regulierung der Pflegeberufe. Darüber hinaus organisiert ein Kompetenzzentrum für Qualitätssicherung freiwillige Hausbesuche für Pflegegeldempfänger:innen. Ziel dieser Besuche ist die Information und Beratung von Pflegebedürftigen und ihren informellen Betreuer:innen. Diese Hausbesuche sind im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung im Haushalt obligatorisch, wenn sie öffentlich gefördert werden (siehe unten). Weitere freiwillige Initiativen sind ein Qualitätszertifikat für Pflegeheime und ein Qualitätszertifikat für Agenturen, die als Vermittler bei der 24-Stunden-Betreuung fungieren. In beiden Fällen ist die Zahl der Zertifizierungen allerdings eher gering.

Pflegedienstleistungen
Übersicht

Die öffentliche Unterstützung für die Langzeitpflege in Österreich basiert auf einer Kombination aus Cash-for-Care-Leistungen (siehe oben) und einer Reihe von Dienstleistungen [5],[6],[7]. Die Bereitstellung von Pflegediensten lässt sich in vier Hauptelemente unterteilen: stationäre Pflegeeinrichtungen, mobile Pflegedienste, 24-Stunden-Betreuung und Unterstützung für die informelle Pflege.

Mobile Pflege
Die mobile Pflege wird in den verschiedenen Bundesländern auf sehr unterschiedliche Weise organisiert und verwaltet. Typischerweise umfasst die mobile Pflege in ganz Österreich Hauskrankenpflege und Heimhilfe. Zu den weiteren Dienstleistungen zählen Essen auf Rädern, Begleit- und Besuchsdienste oder Palliativpflegedienste. Die Vereinbarungen zur öffentlichen Kofinanzierung variieren ebenfalls zwischen den Bundesländern, berücksichtigen jedoch in der Regel sowohl das Pflegegeldals auch das Einkommen der Nutzer:innen.

Nachdem in den 1990er-Jahren regionale Pläne für den Ausbau der Langzeitpflege-Infrastruktur entwickelt wurden, die der mobilen Pflege Vorrang einräumten, wurden die Dienstleistungen in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren deutlich ausgeweitet. Bis Ende 2022 erhielten knapp 100.000 Menschen mobile Pflegedienste (mit öffentlicher Kofinanzierung), das sind 20,9 % der Pflegegeldbeziehenden [8]. Die Bereitstellung gemeindenaher Pflege wird überwiegend von gemeinnützigen Organisationen durchgeführt. Sowohl öffentliche als auch gewinnorientierte Anbieter spielen eine geringere Rolle in der mobilen Pflege. Neben dem Angebot an öffentlich kofinanzierten Dienstleistungen basiert die Pflege im privaten Umfeld der Bezieher:innen auf informeller Pflege und, seit Anfang der 2000er Jahre, zunehmend auf der 24-Stunden-Betreuung.

24-Stunden-Betreuung

Seit Ende der 1990er-Jahre wird die Betreuung durch im Haushalt lebende Migrant:innen– in Österreich allgemein als 24-Stunden-Betreuung bezeichnet – zunehmend genutzt, um Lücken zwischen der informellen Pflege, den mobilen Pflegediensten und der stationären Pflege zu schließen. Ursprünglich in der Schattenwirtschaft verortet, wurde im Jahr 2007 eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die selbständigen Betreuungskräften eine Personenbetreuung ermöglicht. Die im Haushalt lebenden Betreuungskräfte wechseln sich in einem zwei- oder mehrwöchigen Rhythmus ab und pendeln zwischen den Haushalten in Österreich und ihren mittel- und osteuropäischen Herkunftsländern [9].

Bis Ende 2022 waren rund 59.000 selbständige Betreuungskräfte im Haushalt gemeldet, sodass eine Betreuung – nach der vorherrschenden Regelung zweier Betreuungskräfte im Schichtwechsel – für rund 29.000 Pflegebedürftige erbracht wird, was 6,2 % der Pflegegeldbeziehenden entspricht Die Finanzierung der 24-Stunden-Betreuung erfolgt aus privaten Mitteln der betreuungsbedürftigen Personen (einschließlich des Pflegegelds ), einer zusätzlichen bedürftigkeitsabhängigen öffentlichen Zuzahlung speziell für die Inanspruchnahme der 24-Stunden-Betreuung (in Höhe von maximal 800 € pro Monat) und zusätzlicher finanzieller Unterstützung in einigen Bundesländern.

Unterstützung für informelle Pflege
Die Unterstützung informell pflegender Angehöriger umfasst den Pensions- und Krankenversicherungsschutz (monetär das wichtigste Programm), verschiedene Freistellungsoptionen (Familienhospizkarenz, Pflegekarenz in Voll- und Teilzeitoptionen und ein damit verbundenes Pflegekarenzgeld, die Entlastungspflege und Berücksichtigung der Familienfürsorge im Erbrecht [5]. Darüber hinaus hat Österreich Mitte 2023 einen direkten Geldtransfer für informell pflegende Angehörige (Angehörigenbonus) in Höhe von 125 € pro Monat eingeführt. Allerdings beschränken die Zulassungsbestimmungen diese Programme auf eine Pflege mit höherer Intensität. Beispielsweise wird der Angehörigenbonus für informelle Pflegekräfte nur bei der Pflege einer Person ab der Pflegegeldstufe 4 gezahlt. Pflegekarenz (sowohl Vollzeit als auch Teilzeit) ist für einen Zeitraum zwischen einem und drei Monaten möglich, allerdings nur für die Pflege einer Person ab der Pflegestufe 3 (bzw. ab Stufe 1, bei Demenzpflege und wenn es sich bei der betreuten Person um ein Kind handelt). Familienhospizkarenz (ebenfalls mit Vollzeit- und Teilzeitoption) ist für drei Monate möglich, mit der Möglichkeit einer Verlängerung auf sechs Monate. Die Inanspruchnahme Pflegekarenz hat zwar zugenommen, bleibt jedoch selten genutzt, während die Kurzzeitpflege häufig durch die begrenzte Verfügbarkeit von Ersatzdiensten eingeschränkt wird.
Stationäre Pflege

Im Bereich der stationären Pflege dominieren Alten- und Pflegeheime, die ein breites Spektrum an pflegerischer, persönlicher und sozialer Betreuung anbieten. Ende 2022 wurden 67.576 Bewohner:innen (mit öffentlicher Kofinanzierung) – das sind 14,4 % der Pflegegeldbeziehenden (470.647 Empfänger Ende 2022) – in stationären Pflegeeinrichtungen betreut [8]. Nach der Pflegereform Anfang der 1990er Jahre [6] begannen diese Einrichtungen, den Pflegeheimcharakter zu betonen und sich expliziter auf die Bevölkerung mit umfassenderem Pflegebedarf zu konzentrieren. Später wurden die Zugangskriterien verschärft, indem nun ein Mindestmaß an Pflegebedarf gefordert wird (in der Regel Pflegegeldstufe 4), aber immer noch breitere soziale Umstände berücksichtigt werden. Die beiden wichtigsten Anbieter stationärer Pflege sind der öffentliche Sektor und der gemeinnützige Sektor. Pflegeheime im gewinnorientierten Sektor haben in Österreich einen deutlich geringeren (aber wachsenden) Marktanteil und ihre relative Position variiert auch zwischen den Bundesländern. Bis auf einen Anbieter spielen multinationale Unternehmen in diesem Segment keine große Rolle. Zu den alternativen stationären Pflegeeinrichtungen gehören betreute Wohnformen, oft in enger Zusammenarbeit mit traditionellen Pflegeheimen, Wohngemeinschaften oder manchmal auch Kindergärten.

Hilfsmittel und unterstützende Technologien
Zu den unterstützenden Leistungen gehören etablierte Technologien, wie zum Beispiel vielfältige Hilfsmittel. Die Finanzierung dieser Hilfen richtet sich nach den konkreten Bedürfnissen der Betroffenen, aber auch nach der zuständigen Sozialversicherungskasse. Diese unterscheiden sich in der mehr oder weniger restriktiven Gewährung dieser Hilfen und in den Zuzahlungsregelungen. Neue Technologien beeinflussen auch den Einsatz traditionellerer Hilfsmittel. Darüber hinaus leisten Pflegedienstleister Pionierarbeit beim Einsatz neuer Technologien oder erproben diese in öffentlich geförderten Innovationsprojekten. Dabei handelt es sich beispielsweise um Wearables und Sensoren, mobile Anwendungen oder zunehmend auch um künstliche Intelligenz zur Unterstützung von Betroffenen, Pflegedienstleistern und Organisationen. Konkret zählen zu den Technologien aktive und betreute Wohnsysteme, die sich beispielsweise mit der Sicherheit, Mobilität oder körperlichen Aktivitäten von Pflegebedürftigen befassen, aber auch Technologien, die die Belegschaft, das Pflegemanagement oder die Organisation bei der Dokumentation der Pflegearbeit unterstützen.

Im Hinblick auf das förderliche Umfeld sind mehrere Initiativen zum Thema Behinderung für die Langzeitpflege von großer Bedeutung, zuletzt im Nationalen Aktionsplan Behinderung 2022–2030, der auf die Umsetzung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen abzielt [10]. Als weitere Initiative ist Wien im Jahr 2023 als erste österreichische Stadt dem WHO-Rahmen für altersfreundliche Städte und Gemeinden beigetreten. Das Rahmenwerk befasst sich mit Themen wie Partizipation, sozialer Inklusion, Mobilität und Gesundheit und unterstützt Mitglieder bei der Identifizierung und dem Austausch innovativer Ansätze.

Beschäftigte in Pflege und Betreuung

Die Pflegekräfte in Österreich sind stark segregiert: 87 % der formellen Pflegekräfte sind Frauen [11]. Laut einer repräsentativen Umfrage sind auch 73 % der informellen Pflegekräfte Frauen [2]. Während der Anteil der im Ausland geborenen Arbeitnehmer:innen am Arbeitsmarkt 22 % beträgt, liegt er im Pflegesektor bei 33 % – beides Werte, die deutlich über denen der meisten OECD-Länder liegen. Obwohl Prognosen einen Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften zeigen [10], ist der Anteil derjenigen, die im Pflegesektor arbeiten, immer noch gering: 1,6 % der Erwerbstätigen arbeiten im Pflegesektor (etwas unter dem OECD-Durchschnitt). Auf 1.000 Menschen im Alter von 65 Jahren und älter kommen in Österreich 41 formelle Pflegekräfte, was deutlich unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Die meisten Pflegekräfte verfügen über ein mittleres Bildungsniveau (72 %), nur 13 % haben ein hohes Bildungsniveau und 16 % haben ein niedriges Bildungsniveau. Im OECD-Vergleich liegt der Anteil der Pflegekräfte mit einem mittleren Bildungsniveau über dem OECD-Durchschnitt, und die Anteile mit hohem und niedrigem Bildungsniveau liegen unter dem OECD-Durchschnitt. 67 % aller formellen Pflegekräfte arbeiten in stationären Pflegeeinrichtungen (was über dem OECD-Durchschnitt liegt). Diejenigen, die in der stationären Pflege arbeiten, verdienen nur 92 % des wirtschaftsweiten durchschnittlichen Bruttostundenlohns, während diejenigen, die in der ambulanten Pflege arbeiten, 93 % verdienen – deutlich weniger als diejenigen im Bildungs- und Gesundheitswesen [11].

In Österreich herrscht im Pflegesektor ein erheblicher Arbeitskräftemangel, der zu hoher Arbeitsbelastung und Arbeitsunzufriedenheit führt. Zu den jüngsten Reformen gehörten bezahlte Stipendien für die Krankenpflegeausbildung, zusätzlicher Urlaub und finanzielle Prämien, um Pflegeberufe attraktiver zu machen.

Informationssysteme

Es gibt öffentlich zugängliche Daten zu Langzeitpflege in Österreich. Die Statistik Austria veröffentlicht jährlich eine Pflegedienststatistik, die Aufschluss über Struktur und Umfang der Pflegedienste gibt (Leistungsstunden, Abrechnungstage, Plätze, betreute Personen, Pflege- und Betreuungspersonal, Ausgaben) [13]. Das Sozialministerium veröffentlicht jährlich einen Bericht über die Pflegedienste, der Daten zu Empfänger:innen von Pflegeleistungen, finanzieller Unterstützung für die 24-Stunden-Betreuung, Pflegediensten in den Ländern und anderen Unterstützungsmaßnahmen enthält [14] . Da die Daten der Pflegedienste in den einzelnen Bundesländern nicht einheitlich erhoben werden, ist eine Vergleichbarkeit oft schwierig.

Darüber hinaus gibt es den Jahresbericht zum Register der Gesundheitsberufe 2019, der Auskunft über die Anzahl der Gesundheits- und Pflegekräfte sowie deren Qualifikationsniveau gibt [15]. Mit Beginn des Jahres 2024 wurde die Website www.pflegereporting.at eingerichtet, auf der vorhandene Informationen und Daten zur Pflege zusammengetragen werden.

Es besteht jedoch kein allgemeiner Zugang zu pseudonymisierten Mikrodaten zu Pflegegeldbezieher:innen oder zu Gesundheitsdiensten, sodass kein öffentlich verfügbarer verknüpfter Gesundheits-Pflege-Datensatz vorhanden ist.

Neue Pflegemodelle und Innovationen

Innovation kann sehr unterschiedliche Formen annehmen und unterschiedliche Wege verfolgen. Neue Pflegemodelle werden häufig von einzelnen Anbietern, Anbieternetzwerken, lokalen oder regionalen Behörden initiiert, und im Rahmen etablierter Pflegeformen (z. B. in stationären Pflegeeinrichtungen oder mobilen Diensten) oder als neuartige Programme umgesetzt. Andere Initiativen basieren auf stärker zentralisierten Bemühungen zur Reform der Langzeitpflege. Als Beispiele dienen zwei Programme:

Im Jahr 2021 startete Österreich das Community Nursing-Projekt mit 116 Pilotprogrammen zu Beginn des Jahres 2024. Community Nurses werden zur zentralen lokalen Anlaufstelle für Gesundheits- und Pflegefragen, die Informationen bereitstellen und Dienste koordinieren. Ziel ist es, einen niederschwelligen Zugang zu ermöglichen und die Reichweite zu verbessern. Das Programm zielt auf den frühen Kontakt mit älteren Menschen ab (bevor der Bedarf an Langzeitpflege entsteht), unterstützt und berät pflegende Angehörige (bevor professionelle Dienstleistungen in Betracht gezogen werden) und legt Wert auf präventive und rehabilitative Ansätze.

Mit der COVID-19-Pandemie wurde der Personalmangel für das Langzeitpflegesystem zu einem noch dringlicheren Problem. Als Reaktion darauf führte Österreich unter anderem neue (Weiter)Bildungsprogramme ein, die neue Wege in die Pflegearbeit eröffnen. Dazu gehören weiterführende Bildungsgänge mit der Spezialisierung auf pflegebezogene Qualifikationen sowie als Pilotprojekt Berufsausbildungsgänge für Assistenzberufe in der Pflege. Darüber hinaus wurde 2023 ein neues Stipendium zur Förderung der Aus- und Weiterbildung in Pflegeberufen eingeführt. Das Programm richtet sich speziell an Personen ab 20 Jahren, die arbeitslos oder beurlaubt sind. Das Stipendium beträgt 1.400 € monatlich und kann für bis zu 4 Jahre gezahlt werden (abhängig von der Dauer des Qualifizierungsprogramms).

Leistung
Überblick
Das österreichische Pflegesystem basiert auf einer vergleichsweise breiten Abdeckung der Bevölkerung mit dem Pflegegeld als zentrale Geldleistung für Pflegebedürftige [16]. Der Umfang der stationären Pflege und der mobilen Pflegedienste wurde in den letzten 30 Jahren erheblich diversifiziert und erweitert. Allerdings konnten diese Erweiterungen den wachsenden Bedarf nicht decken, ein Defizit, das durch Personalmangel noch verschärft wird. Diese Engpässe führten in den letzten Jahren dazu, dass einige Pflegeheime nicht alle verfügbaren Betten bereitstellen konnten. Die Bewältigung des Personalmangels stand im Mittelpunkt der jüngsten Reformbemühungen in der Langzeitpflege. Angesichts des prognostizierten künftigen Pflegebedarfs und der Zahl der Pflegekräfte, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in den Ruhestand gehen, wird es jedoch weiterhin erhebliche Engpässe geben, sofern keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden [12],[17]. Die Belege dafür, inwieweit die Pflegeversorgung den Pflegebedarf deckt, sind für Österreich noch begrenzt. Allerdings gibt es Hinweise auf Ungleichheiten in der räumlichen Verteilung der Pflegeunterstützung, die nicht durch das Alter und den Gesundheitszustand der Bevölkerung erklärt werden können [18],[19].

Bei Dienstleistungen führen regionale Unterschiede in der Regulierung und Governance zu unterschiedlichen Nutzungsmustern. Schließlich sind, wie bereits erwähnt, die zentrale Koordinierung, Überwachung und Qualitätssicherung in Österreich begrenzt, vor allem aufgrund der regionalen Zuständigkeiten für die Langzeitpflege und der begrenzten Vergleichbarkeit der Daten über die Leistungserbringung.

Lehren aus der COVID-Pandemie

Wie in vielen anderen europäischen Ländern hat die Covid-19-Pandemie Licht auf die Gesundheits- und Pflegesysteme geworfen, bestehende Defizite verschärft und herausfordernde Fragen zum Gleichgewicht zwischen Belangen der öffentlichen Gesundheit und individuellen Rechten aufgeworfen. Der Mangel an Unterstützung für informelle Pflegekräfte, die Arbeitsbedingungen von mit Migrant:innen in der Pflege (in Bezug auf die gängige Praxis der Rotationsmigration in der 24-Stunden-Betreuung) und die Situation von Pflegeheimbewohner:innen (mit strengen Beschränkungen sozialer Kontakte außerhalb der Einrichtungen aus Gründen der öffentlichen Gesundheit), zusammen mit dem bestehenden und sich verschlimmernden Personalmangel, wurden in der Literatur als die größten Herausforderungen genannt [20],[21],[22].

Reformen und neue Ansätze
Zwischen 2021 und 2023 wurden Teile des Pflegesystems reformiert. Die Reformen haben Verbesserungen für den Pflegeberuf, die Pflegeausbildung, informelle Pflegekräfte und Pflegegeldempfänger:innen mit sich gebracht. Konkrete aktuelle Reformen umfassen Folgendes: Auszubildende in der Pflege erhalten 600 € pro Monat, informelle Pflegekräfte erhalten erstmals finanzielle Unterstützung (125 € pro Monat, es gelten besondere Bedingungen) und die finanzielle Unterstützung für die Bereitstellung einer 24-Stunden-Betreuung wurde erhöht. Bei Betriebs- oder Tarifverträgen besteht ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz. Darüber hinaus wurden verschiedene Maßnahmen in den Bereichen Ausbildung, Qualifikation und Einwanderung umgesetzt: z. B. eine erleichterte Anerkennung ausländischer Pflegeausbildungen oder die Erweiterung der Kompetenzen von qualifiziertem Pflegepersonal. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden in einigen Gemeinden Community Nurses eingerichtet. Durch den jüngsten Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sind zwar die Ressourcen für die Bereitstellung von Pflegedienstleistungen gestiegen, eine grundlegende Reform hin zu einer besseren Gesamtfinanzverwaltung ist jedoch ausgeblieben [1].
Vorgeschlagene Zitierung

Famira-Mühlberger U. and Österle A. (2024) Profil des Langzeitpflegesystems: Österreich. Global Observatory of Long-Term Care, Care Policy & Evaluation Centre, London School of Economics and Political Science. https://goltc.org/system-profile/osterreich/

 

 

Ausgewählte Quellen

Trukeschitz, Birgit, Österle, August, Schneider, Ulrike (2022): Austria’s Long-Term Care System: Challenges and Policy Responses. Journal of Long-Term Care, 88-101. https://doi.org/10.31389/jltc.112

Streicher, G., Famira-Mühlberger, U., Firgo, M. (2022): The Economic Impact of Long-term Care Services, Zeitschrift für Sozialreform (Journal of Social Policy Research), 68, (2), S.211-235.https://doi.org/10.1515/zsr-2022-0009

In German (the most important administrative source on Long-Term Care in Austria):

BMSGPK (2023): Österreichischer Pflegevorsorgebericht 2022. Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=704&attachmentName=%C3%96sterreichischer_Pflegevorsorgebericht_2022.pdf

 Literatur

[1] Famira-Mühlberger, Ulrike & Trukeschitz, Birgit (2023): Zur öffentlichen Finanzierung der Langzeitpflege. WIFO-Monatsberichte, 96(12), 857-868. https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/71302

[2] Nagl-Cupal, Martin, Kolland, Franz, Zartler, Ulrike, Mayer, Hanna, Bittner, Marc, Koller, Martina Maria, Parisot, Viktoria & Stöhr, Doreen (2018): Angehörigenpflege in Österreich. Einsicht in die Situation pflegender Angehöriger und in die Entwicklung informeller Pflegenetzwerke. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK)

[3] OECD (2023a): Health at a Glance 2023: OECD Indicators. OECD Publications. https://doi.org/10.1787/7a7afb35-en

[4] Famira-Mühlberger, Ulrike (2020): Pflegevorsorge in Gemeinden. WIFO Publications. https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/66284

[5] Trukeschitz, Birgit, Österle, August, Schneider, Ulrike (2022): Austria’s Long-Term Care System: Challenges and Policy Responses. Journal of Long-Term Care, 88-101. https://doi.org/10.31389/jltc.112

[6] Österle, August (2021): The Long-Term Care System in Austria. CRC 1342 Social Policy Country Briefs, 12. https://doi.org/10.26092/elib/833

[7] Österle, August (2023): 30 Jahre Pflegepolitik: Ein Blick zurück … und nach vorn. In: Buxbaum, Adi, Filipič, Ursula, Pirklbauer, Sybille, Soukup, Nikolai & Wagner, Norman (Eds.): Soziale Lage und Sozialpolitik in Österreich 2023: Entwicklungen und Perspektiven (pp. 122-136). ÖGB-Verlag. https://api.oegbverlag.at/spid/articles/24_9/pdf

[8] Statistik Austria (2023): Pflegedienstleistungsstatistik 2022. https://www.statistik.at/fileadmin/pages/346/Pflegedienstleistungsstatistik_2022.pdf

[9] Österle, August (2018): Employing Migrant Care Workers for 24-Hour Care in Private Households in Austria. Benefits and Risks for the Long-term Care System. In Christensen, Karen & Pilling, Doria (Eds.), The Routledge Handbook of Social Care Work Around the World (pp. 130-141). Routledge.

[10] BMSGPK (2023): Österreichischer Pflegevorsorgebericht 2022. Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=704&attachmentName=%C3%96sterreichischer_Pflegevorsorgebericht_2022.pdf

[11] OECD (2023b): Beyond Applause? Improving Working Conditions in Long-Term Care. OECD Publications. https://doi.org/10.1787/27d33ab3-en

[12] Famira-Mühlberger, Ulrike (2023): Projektionen des öffentlichen Pflegeaufwands bis 2050. WIFO Publications. https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/70673

[13] https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/sozialleistungen/betreuungs-und-pflegedienste

[14] https://www.sozialministerium.at/. The 2022 report is available here: https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=704&attachmentName=%C3%96sterreichischer_Pflegevorsorgebericht_2022.pdf

[15] https://goeg.at/JB_Gesundheitsberuferegister

[16] Ranci, Costanzo, Österle, August, Arlotti, Marco & Parma, Andrea (2019): Coverage Versus Generosity: Comparing Eligibility and Need Assessment in Six Cash‐for‐Care Programmes. Social Policy and Administration, 53(4), 551-566. https://doi.org/10.1111/spol.12502.

[17] Jurasovich, Brigitte, Rappold, Elisabeth & Gyimesi, Michael (2023): Pflegepersonalbedarfsprognose Update bis 2050. Aktualisierung der Pflegepersonalbedarfsprognose 2030. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=707&attachmentName=Pflegepersonalbedarfsprognose_Update_bis_2050.pdf

[18] Famira-Mühlberger, Ulrike, Mayrhuber, Christine & Novotny, Klaus (2022): Gesundheitsleistungen und Pflegegeldbezug. WIFO-Monatsberichte, 95(3), 175-184. https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/69573

[19] Pennerstorfer, Astrid & Österle, August (2023): Take-Up and Distribution of a Universal Cash Benefit: The Case of the Austrian Long-Term Care Allowance. Journal of Social Policy, 1-18. https://doi.org/10.1017/S0047279423000375

[20] Leiblfinger, Michael, Prieler, Veronika, Rogoz, Mădălina & Sekulová, Martina (2021): Confronted with COVID-19: Migrant Live-In Care During the Pandemic. Global Social Policy, 21(3), 490-507. https://doi.org/10.1177/14680181211008340

[21] Leichsenring, Kai, Schmidt, Andrea E. & Staflinger, Heidemarie (2021): Fractures in the Austrian Model of Long-term Care: What Are the Lessons from the First Wave of the COVID-19 Pandemic? Journal of Long-Term Care, 33-42. https://doi.org/10.31389/jltc.54

[22] Rodrigues, Ricardo, Simmons, Cassandra, Schmidt, Andrea E. & Steiber, Nadia (2021): Care in Times of COVID-19: The Impact of the Pandemic on Informal Care in Austria, European Journal of Ageing, 18, 195-205. https://doi.org/10.1007/s10433-021-00611-z

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